WARUM LIEBER DOCH KEIN EINZELKIND…


Ich persönlich bin Vater von sechs Kindern, die inzwischen im Alter von 14 - 27 Jahre als sind. Selber bin ich - Jahrgang 1967 - „nur“ mit einem einzigen Bruder aufgewachsen.

Diese Rubrik „aus dem STEPPKE“ streift immer wieder das Thema Familie. Aus zwei Gründen. Natürlich soll unser Szeneguide inhaltlich auch für Familien und Eltern geeignet sein. Zum Anderen möchten wir einen anderen Online-Titel von uns „schmackhaft machen“: www.steppke.online  

CLIXXUN

 AUS DEM „STEPPKE“

 Warum Geschwister die Entwicklung begünstigen 

CLIXXUN GOES

STEPPKE

VON STEPHAN LEIFELD

Ich kann mich noch gut an die Zeiten erinnern, als Tristan ganz vernarrt war, in seinen kleinen Bruder. Der vermeintlich große Bruder, nur drei Jahre älter als „der Kleine“, freute sich schon auf die Zeit, „wenn sie zusammen Fussball spielen können, oder so…“ Und nun, beide sind 13 und 16 Jahre, weiß ich durch meine Söhne ganz genau, dass auch mein Bruder und ich keine Ausnahmen waren. Brüder streiten sich, gehen sich auf die Nerven, wollen ganz oft überhaupt nicht miteinander spielen - sondern oft lieber mit anderen Kindern. 

Natürlich streiten sich auch Schwestern …  

Geschwister haben häufig miteinander eine Rechnung offen


meint Hans-Otto Thomashoff, 

Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in Wien.

Die Familie ist der erste Verbund, in dem Kinder sich sozial wahrnehmen. Die kleinste gesellschaftliche Einheit, sozusagen. Mehr Kinder bedeutet für die Kinder auch mehr Konkurrenz. Ob diese Konkurrenz gut ist, will ich an dieser Stelle nicht bewerten, da sämtliche gesellschaftlichen Gruppen quasi mit entsprechenden Konstellationen aufwarten. Es könnte also durchaus sein, dass Kinder durch veränderte Geschwisterkonstellationen später flexibler im Alltag auf veränderte gesellschaftliche Konstellationen im anderen Kontext reagieren können… das es sie quasi stärker macht, bezogen auf Frustrationstoleranz und sozialer Kompetenz.


Vor einigen Jahren boxten in der Sportwelt zwei Brüder aus der Ukraine. 

Sie kamen ganz nach oben, sammelten sämtliche Weltmeistergürtel - 

boxten aber nie gegeneinander. Sie haben es ihrer Mutter versprechen müssen, hörte ich einmal in einem Interview, den älteren der beiden Brüder sagen. Klitschko - Vitali und Wladimir. Erfolgreich, integer und sympathisch. Soziale Kompetenzen außerhalb des Boxrings war beiden sofort anzumerken. Einer der beiden wurde in seiner Heimatstadt sogar Bürgermeister und beruhigte überzeugend in einer Ausnahmesituation in den Straßen von Kiev, erfolgreich eine Masse von Menschen, um diese von einem gewalttätigen Aufstand abzuhalten. Dabei wirkte sein ganzes Auftreten sehr emotional…



Dr. phil. Dr. med. Thomashoff behauptet weiter, 

Gefühle sind schneller als der Verstand.


Wut, Ärger, Eifersucht, suchen sich demnach einen Kanal in dem Verhalten von Menschen. Ein wütendes Kind ist nach Ansicht von Thomashoff auch nicht aus heiterem Himmel wütend, sondern weil es irgendwie frustriert wird. Dabei führt er fort, dass Kindergefühle heftiger sind, als die von Erwachsenen, weil sie noch nicht reflektiert werden. Das verändert sich erst im Laufe der Jahre.


Wenn Eltern also die älteren Kinder darauf vorbereiten, dass ein jüngeres Kind „unterwegs“ ist, machen sie schon vieles richtig, findet der Experte. Dabei hat sich gezeigt, dass der zeitliche Abstand von etwa drei Jahren eine gute Phase bietet, in der das bereits vorhandene Kind eine sichere Bindung zur bestehenden Familie aufbauen konnte, bevor das „neue Kind“ gewissermaßen zuhause die Karten neu aufmischen kann…


Da fällt mir ein, dass mein Bruder und ich nur ein Jahr und vierzig Minuten auseinander sind, wie auch immer unsere Eltern das so genau hinbekommen haben. 


Kinder wollen jedenfalls Veränderungen nachvollziehen können - je nach Entwicklungsstufe. Deshalb dachte der verspielte dreijährige Tristan seinerzeit auch in „seinen Dimensionen“, dass sein kleiner Bruder quasi in die Rolle des Spielgefährten wachsen würde. Bedenken konnte er in seiner Welt noch nicht, dass Tharon ebenfalls mit einem eigenen Willen ausgestattet sein könnte, wenn das dann so weit ist, mit dem gemeinsamen Spielen. 


Interessant finde ich dann, als ich Thomashoff weiterlese, dass wir daheim nicht so viel verkehrt gemacht haben, bisher. Thomashoff spricht davon, dass man Kinder gerecht aber nicht gleich behandeln soll. Da bin ich aber froh… Tristan, Tharon und die anderen Geschwister in unserem Haushalt werden nämlich gerecht behandelt - und nicht gleich. 


Zum Einen habe ich das selber erlebt, als Bruder in meiner eigenen Kindheit. Unsere Eltern, besonders unser Vater, haben sich bemüht, uns gleich zu halten. So haben sie es auch formuliert. Im Umfeld müssen wir manches Mal für Zwillinge gehalten worden sein, weil auch unsere Kleidung identisch gewesen ist. Mein Bruder und ich haben heute kaum noch einen guten Draht zueinander, finde ich. Manchmal finde ich das traurig. Da hoffe ich, dass „meine“ Kinder das später anders machen. 


Als Patchworkfamilie haben wir sechs Kinder seit fast 18 Jahren unter einem Dach. Drei Mädchen und drei Jungen. Der Jüngste ist inzwischen 13, die Älteste ist 26. Solche Kinder kann man nicht gleich behandeln. Das ist auch gut so. Mädchen und Jungen haben unterschiedliche Bedürfnisse - und auch in unterschiedlichen Altersstufen. Auch wenn das von den Kindern - zugegeben - nicht immer zeitnah eingesehen wurde. 


Für mich selbst kann ich also das Resümee ziehen, dass mir das Aufwachsen mit einem Bruder gut getan hat, was meine Rolle als Vater und Mann angeht. Das Verhältnis zu meinem Bruder bleibt dabei ausbaufähig. 


Für meine Kinder kann ich feststellen, dass ich bei ihnen einen gewissen Teamgeist erkennen kann, was ich auch sehr positiv empfinde. Auch wenn die Großen nicht mehr ständig im Haus sind, finden sie auch immer noch den Weg nach Hause - und nehmen dabei auch rührend Anteil an dem Werdegang der kleineren Geschwister. 


Gerade in der Zeit der Pandemie war das zum Greifen spürbar. 


Abschließend würde mich nun interessieren, wie Ihr das so wahrgenommen habt, also mit Euren Kindern einerseits - aber auch Eure eigene Kindheit … mit oder ohne Geschwister. Sind Einzelkinder weniger konfliktfähig und haben eine dünnere Haut, was meint Ihr…? Schreibt doch bis zum 05. August 2023 per email an unser Team, welchen Standpunkt, welche Erfahrungen, welche Fragen Euch dazu in den Sinn kommen. Vielleicht entsteht an dieser Stelle eine lebhafte Diskussion zu diesem Thema … und wir spüren gemeinsam der Frage nach, warum Geschwister so wichtig sind.


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