MIKROKOSMOS DER GENÜSSE
Verschiedene Naturschutzgebiete und Nationalparks mit vielen Höhlen lassen gerade bei Kindern Abenteuergefühle aufkommen. Zahlreiche Einkaufsmöglichkeiten, gemütliche Lokale und Bars sowie gehobene Restaurants, bieten einen angenehmen Abschluss des Tages. Istrien bietet aber auch viel Kultur und Geschichte mit Kirchen, Museen, Sammlungen und Ausgrabungsstätten.
REISEZIEL:
MEIN ISTRIEN
VON IGOR ALBANESE
Verschiedene Naturschutzgebiete und Nationalparks mit vielen Höhlen lassen gerade bei Kindern Abenteuergefühle aufkommen. Zahlreiche Einkaufsmöglichkeiten, gemütliche Lokale und Bars sowie gehobene Restaurants, bieten einen angenehmen Abschluss des Tages. Istrien bietet aber auch viel Kultur und Geschichte mit Kirchen, Museen, Sammlungen und Ausgrabungsstätten.
ISTRIEN - MEINE HEIMAT
Was ich hier vermitteln möchte, ist ein Hauch meiner Heimat Istrien, das Gefühl und die Stimmung, welche die Natur und die Menschen daheim in mir erzeugen, die Gerüche aus der Küche, die Lebensart. Bei mir zu Hause spielte sich das Familienleben fast ausschließlich auf der Terrasse ab. Da wird gekocht, gegessen, gestritten und gelacht.
An warmen Abenden nach dem Abendessen haben wir oft bis in die Nacht gesungen. Nicht selten improvisierte jemand aus dem Nachbarhaus die zweite Stimme und aus dem Souterrain drang der Bass von Zio Gualtiero. Auch Zio Rudi von der ersten Etage, der auf Grund irgendeiner alten Fehde, an die sich keiner mehr genau erinnern konnte, den Nono auf der Straße nicht grüßte, sang mit.
An einer solchen Stimmung möchte ich Euch teilhaben lassen.
Doch es ist für mich nicht einfach über meine Heimat Istrien zu erzählen, ohne ins Schwärmen zu geraten und vielleicht ein wenig zu übertreiben.
Daher möchte ich zunächst die Eindrücke eines Reisenden vermitteln.
Stephan Vajda reiste 1926 durch das Landesinnere und erlebte die mittelalterliche Stadt Motovun und die verlassenen, umliegenden Dörfer so intensiv, dass er die Eindrücke auf Papier brachte. Diese Eindrücke sind stellvertretend für viele andere Istrien-Erlebnisse:
"...Der Zauber hat sich unmerklich eingestellt, man ist, ob man will oder nicht, von einer merkwürdigen Stimmung gefangen, von einer laut- und reglosen Magie verwirrt. Das Abseits scheint ungeahnte Weiten und Tiefen zu haben, das Fragment einen verborgenen Sinn, der Torso eine verschwiegene Vollkommenheit. Bezeichnungen wie armselig, heruntergekommen oder verlassen gelten nicht mehr. Man beginnt zu begreifen. Und man glaubt man habe eine Reise in die Vergangenheit angetreten, aber man ist bereits im Zeitlosen angelangt“.
Auch Motovuns Geschichte, die Vajda beschreibt, wiederholt sich, von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt und ist letztendlich die Geschichte Istriens:
"...Herrschaften kamen und Herrschaften gingen, Motovun wurde gestürmt, verteidigt, verpachtet, gekauft, abgetrennt, einverleibt und zum freien Markt erklärt. Aber es blieb eine istrische Stadt auf dem Berg: Zugleich römisch, illyrisch, byzantinisch, deutsch, italienisch und slawisch. Spuren und Reste, Sprachen und Gebärden wuchsen zu einer imaginären Einheit zusammen, das Europäische entstand scheinbar ohne Zweck und Absicht, und es stand die mehr bösen als guten Zeiten durch, von der kargen Landschaft rundherum geschützt.... nur die Stärksten und die Ärmsten sind geblieben...“
Die meisten Touristen kennen eher die Küstenstädte, wie Rovinj, Porec, Umag oder Pula, doch im Inneren Istriens findet man wahre Schätze, wie die bereits erwähnte, sagenumwobene Stadt Motovun, die Künstlerkolonie Groznjan, die alte venezianische Stadt Vodnjan mit unzähligen Reliquien und sakralen Prunkstücken und viele andere trutzige Dörfer und mittelalterliche Städtchen. Das Landesinnere Istriens ist eine Welt, die immer noch mit der Magie lebt und wirkt. Die Menschen dort leben immer noch nach den Rhythmen Jahrtausend alter Lebensweisheiten.
Doch nicht nur Vajda schrieb über Istrien. James Joyce, Thomas Mann, Anton Tschechow und viele andere gehören dazu. Die Fojba-Schlucht von der mittelalterlichen Stadt Pazin wurde von Jules Verne im Abenteuerroman "Matthias Sandorf" beschrieben. Auch in Dantes "Göttliche Komödie" wurde die Schlucht als Eingang zur Hölle verewigt. 1310 nahm er, vom gespenstischen Anblick inspiriert, Maß für die Höllenpforte seiner "Divina Commedia" - "Lasciate ogni speranza, voi ch' entrate!" „Ihr, die ihr hier eintretet, lasst alle Hoffnung fahren!“. Meine Heimatstadt Pula nannte er in der göttlichen Komödie „Die Grenzstadt Italiens“.
….Urlaub in Kroatien genießt man nicht nur im Sommer.
Zum Beispiel Mitte Oktober.
Die Olivenernte ist gerade mit viel Mühe und Kraft vollbracht. Das junge Olivenöl ist eine nachgewiesene Weltklasse heute, wie in der Römerzeit, als Plinius der Jüngere (ca. 90 nach Christus) geschrieben hat: "Das Olivenöl aus dem Süden Istriens ist Maß aller Dinge". Oder der römische Dichter Marcus Valerius Martial (40. bis 103. n. Ch.), der gebürtig aus Spanien war. Er lobte seine Heimat Cordoba, in dem er ausrief: „Uncto Corduba laetior Venafro, Histria nec minus absoluta testa” – „Cordova, du bist fruchtbarer als das salzige Venafro und so perfekt wie das istrische Olivenöl“.
Oktober ist auch die Zeit der königlichen weißen Trüffel. Von Oktober bis etwa Ende Dezember pilgern jährlich Feinschmecker-Scharen aus der ganzen Welt in das Trüffelgebiet unterhalb von Motovun, in die Trüffelhochburg Livade. Der kleine Ort ist geprägt von der Familie Zigante, die dort im Oktober/November eine Trüffelmesse organisiert und eines der weltbesten Trüffelspezialitätenrestaurants betreibt.
Der intensive Duft der weißen Trüffel und ihr unverwechselbarer Geschmack zählen zu den höchsten kulinarischen Genüssen. Die Fundorte sind streng gehütete Geheimnisse und die Koordinaten werden von Generation zu Generation weiter gegeben.
Trüffel kann man in Istrien das ganze Jahr genießen, denn der wesentlich preiswertere schwarze Sommertrüffel bietet eine höchst aromatische Gaumenfreude. Ein Besuch im Restaurant Zigante in Livade ist zu jeder Jahreszeit ein Muss.
Und dann haben wir noch den wilden grünen Spargeln, Schinken und Käse, Austern und Adriafische, das beinahe ausgestorbenes und wiederbelebtes istrisches Rind „Boskarin“ und viel, viel Wein.
Diese einzigartige Vielfalt des kulinarischen Angebots auf so kleinem Raum genoss auch Giacomo Casanova, der zu seinen Lebenszeiten in Istrien weilte, auch um sich vor gehörnten venezianischen Ehemännern zu versteckten. Oft besuchte er das „Kastell Bembo“, das Palazzo seines adeligen Freundes Bembo im Örtchen Bale.
In Bale, einem befestigten Städtchen im Süden Istriens, leben heute noch Abkömmlinge der keltischen Siedler, die vor mehr als 2.300 Jahren nach Istrien kamen. Sie bedienen sich einer uralten romanischen Sprache, die man nirgendwo anders in der Welt versteht, nicht einmal im benachbarten Rovinj.
Apropos Kelten: Sie überließen verschiedene Einflüsse, nicht nur in der Sprache. Ein Überbleibsel der Magie der alten Kelten ist das Kräutergetränk Biska, das man ausschließlich nur noch in Istrien finden kann. Es ist ein Tresterbrand aus Mistelbeeren und noch 4 anderen Kräutern und besitzt folglich Heilkräfte. Das Druidengetränk kann Böses fernhalten, Feinde versöhnen und viele Kinder bescheren... Das genaue Rezept wird von Generation zu Generation weitergegeben und bleibt ein Familiengeheimnis. Es soll eines der besten Naturheilmittel gegen Arteriosklerose und gegen hohen Blutdruck sein. Man sagt, dass Biska auch ein Aphrodisiakum ist. Asterix und Obelix lassen grüßen.
Mir bleibt nicht viel Zeit, denn ich muss wieder packen. Die Olivenernte habe ich längst hinter mir, meine Familie habe ich oft besucht, wie immer, sehr gut gegessen und getrunken. Nur noch mein Abschiedsbesuch steht bevor. Mein Vater, der 2010 gestorben ist, liegt auf dem Friedhof „meiner Stadt“ Pula, die übrigens, wie die Stadt Rom, auf sieben Hügeln gebaut ist. Auf einem dieser Hügel liegt dieser Friedhof, der Monte Ghiro. Mein Vater liegt ganz am Anfang, mein Onkel etwa in der Mitte. Ich laufe gerne in dieser Stille, es liegt etwas Beruhigendes in der Luft. Dabei lese ich die Namen auf den Grabsteinen. Das habe ich schon als Kind gemacht und mich bereits damals, über die vielen verschieden klingenden Namen gewundert. Die Namen auf den Steinen können Dir keinesfalls verraten, am welchen Fleck der Erde Du dich befindest. Dort liegen Österreicher, Italiener, Ungarn, Dänen, Niederländer, Juden, Serben, Kroaten, Muslime…. Viele Menschen sind durch Pula gegangen und viele sind geblieben, für immer. „Dieser Friedhof erinnert an ein Hotel“, sagte bereits auch Hermann Bahr (1863-1934).
Istrien ist reich und vielfältig - die Landschaft und die saubere Luft, die Ortschaften im Landesinneren, die am Meer gelegenen Städte, die Dorfkirchen und die Trümmer der Burgen auf den Hügeln, die Bevölkerung mit ihrer unterschiedlichen Herkunft, Sprachen und Kulturen, die Geschichte und die Küche, alles sehr weit zerstreut und doch so greifbar nah.
Über solche Fleckchen Erde möchte ich Euch nun regelmäßig berichten. Ich hoffe, es ist mir gelungen, zu allererst Euch für Istrien bzw. Kroatien zu begeistern und Euch herzlich einzuladen, mit mir diese Leidenschaft zu teilen.
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